Filmkritik:
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) wurde am 7. Mai 1747 von Friedrich dem Großen (1712/1740 – 1780) empfangen (Das musikalische Opfer).
Von dieser Tatsache ausgehend, fabulieren Dominique de Rivaz, Jean-Luc
Bourgeois und Leo Raat in "Mein Name ist Bach" über die näheren Umstände
der Begegnung, wobei sie allerdings historische Fakten weitgehend
ignorieren.
Dazu ein paar Beispiele: Der berühmte Komponist, der seit 1723 als
Thomaskantor fungierte, kam nicht wegen einer Taufe nach Potsdam,
sondern weil er aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit dem Leipziger
Stadtrat hoffte, an den preußischen Königshof wechseln zu können.
Daraus wurde jedoch nichts, und er blieb bis zu seinem Lebensende
Thomaskantor. Im Film bereitet Friedrich der Große den Umzug nach
Sanssouci vor; tatsächlich war der Hof jedoch bereits eine Woche vor
Bachs Besuch in das neue Schloss verlegt worden. Anna Amalie (1723 –
1787) war zu diesem Zeitpunkt nicht siebzehn, sondern bereits
vierundzwanzig Jahre alt. Als Johann Sebastian Bach im Film nach einem
kurzen Aufenthalt Potsdam 1747 verlässt, begegnet er an der Grenze einem
senilen Greis, der Voltaire sein soll. In Wahrheit kam Voltaire (1694 –
1778) jedoch erst am 10. Juli 1750 nach Sanssouci. Das Kamel, auf dem
Friedrich der Große mit Bach zusammen reitet, soll ein Geschenk der Zarin Katharina der Großen
sein – die jedoch erst fünfzehn Jahre später, 1762, russische Zarin
wurde. Statt eines Spießrutenlaufs inszeniert Dominique de Rivaz eine
Auspeitschung durch königliche Soldaten, die im Kreis um den
angebundenden Delinquenten herumgehen und nacheinander zuschlagen. (Beim
Spießrutenlauf taumelte der Verurteilte durch ein Spalier von bis zu
dreihundert Soldaten, die mit Haselruten auf seinen nackten Rücken
einpeitschten. Nach mehreren Durchgängen hing dem Delinquenten die Haut
in blutigen Fetzen vom Rücken. Brach er vorzeitig zusammen, wurde das
Spießrutenlaufen am nächsten Tag fortgesetzt. Kaum jemand überlebte die
Tortur.)
Die Schweizer Filmregisseurin Dominique de Rivaz (*1953) hat ihren
Debütfilm "Mein Name ist Bach" offenbar nicht für den
Geschichtsunterricht inszeniert, sondern es geht ihr um gestörte
Vater-Sohn-Beziehungen. Wilhelm Friedemann (1710 – 1784) und Carl
Philipp Emanuel Bach (1714 – 1788), die beiden Söhne von Johann
Sebastian und Maria Barbara Bach (1684 – 1720), die ebenfalls Musiker
geworden sind, stehen im Schatten ihres berühmten Vaters und
konkurrieren zugleich miteinander. Angesichts der fortwährenden
Streitigkeiten glaubt Johann Sebastian Bach, bei ihrer Erziehung versagt
zu haben. Den preußischen König karikiert Dominique de Rivaz als
schrulligen Neurotiker, der durch die brutale Erziehung seines Vaters
Friedrich Wilhelm I. (1688 – 1740) schwer traumatisiert wurde und nach
anfänglichen Animositäten in dem alten Bach einen väterlichen Freund
findet (was frei erfunden ist). Diese Vater-Sohn-Thematik kontrastiert
in "Mein Name ist Bach" mit der (ebenfalls fiktiven) Beziehung zwischen
der aufmüpfigen Prinzessin Anna Amalie und ihrem despotischen Bruder.
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